PAPA, WIR WOLLEN DIE FBI-SEITE LESEN KÖNNEN!

Von Sigrid Haubenberger-Lamprecht


DIESER GASTBEITRAG IST AUS DEM BUCH >>> LERNEN IST WIE ATMEN, S. 51-53


 

Englisch Lernen einmal anders

Schallendes Gelächter dringt aus unserem Arbeitszimmer. Ein neun Quadratmeter großer Raum, der eigentlich unser Vorraum ist und neben der Eingangstür nur ein Fenster zum Gang besitzt. Doch gleichzeitig ist er durch den dort aufgestellten Computer mit Internetanschluss ein Fenster in die ganze Welt.

Jonas interessiert sich schon lange für alles rund um das Thema „Detektive“. Einige Bücher dazu stehen bereits in seinem Regal, ein Detektivclub wurde ins Leben gerufen, bei regelmäßigen Treffen werden die unterschiedlichsten Tätigkeiten, die ein Detektiv bei seiner Arbeit benötigt, geübt.

Auf einer ausgeborgten CD zum Thema „Agenten und Spione“ wurde erwähnt, dass das FBI im Internet sogar eine Seite für Kinder bereitstellt. Beim Anschauen dieser Kinderseite dann die Erkenntnis: Das ist ja alles auf Englisch. Und sogleich folgt der Satz: „Papa, wir wollen Englisch lernen!“ Beim nächsten Bibliotheksbesuch, den sie meistens mit ihrem Vater unternehmen, wandert also auch eine Englischlern-CD in ihren Korb.

Wieder zu Hause angekommen, geht es gleich los: Die CD wird in den Computer gelegt und voller Neugierde werden die ersten notwendigen Programmschritte angeklickt. Per Mausklick kann auf verschiedene Felder gedrückt werden, um anhand unterschiedlicher Aufgaben die neue Sprache zu erlernen.

Ich bin versucht, den Kindern zu sagen, dass sie, wie vom Programm empfohlen, mit Aufgabe Eins beginnen und dann Schritt für Schritt weitergehen sollen – so wie es sich gehört. Doch ich übe mich in Zurückhaltung und werde belohnt, indem ich ihre ungebrochene Freude, Neugier und Lust, sich mit dieser Art des Spracherwerbs frei auseinanderzusetzen, miterleben darf. Sie befinden sich wie in einem Sog: Jedes Kästchen muss angeklickt werden, die dadurch auftauchende Übung wird kurz angehört und dann blitzschnell entschieden, ob man sich darauf einlässt oder nicht. Mit einer dieser Übungen wird lange „gespielt“:

Zu Beginn hört man verschiedene Wörter und Sätze von einem Native Speaker gesprochen. Danach können diese von den Lernenden selbst wiederholt werden. Dank eines Spracherkennungsprogramms gibt der Computer Auskunft darüber, ob das Wort bzw. der Satz richtig artikuliert wurde oder nicht. Hat man es geschafft, gibt es ein grünes Hakerl, und es geht weiter zur nächsten Stufe.

Als zehnjähriges Mädchen in der ersten Klasse Gymnasium war ich gespannt, wie es wohl sein wird, mich in einer mir fremden Sprache auszudrücken. Zum ersten Mal stand das Fach „Englisch“ auf dem Stundenplan. Wie fühlt sich das an? Werde ich etwas verstehen? Wie lange wird es dauern, bis ich ein Gespräch führen kann? Und was lerne ich auch über das jeweilige Land, in dem diese Sprache gesprochen wird? Ich war voller Vorfreude. Dann die Ernüchterung: Meine erste Schularbeit wurde mit einem „Nicht genügend“ bewertet, und schlagartig waren meine anfängliche Freude und Begeisterung durch Angst und Selbstzweifel ersetzt. Der Druck, dass die nächste Schularbeit positiv sein muss, verleidete mir den Umgang mit der neuen Sprache. Das Fach „Englisch“ wurde zum notwendigen Übel unter all den anderen Fächern.

Selbst jetzt noch, obwohl mittlerweile mehr als dreißig Jahre vergangen sind, tauchen zum Thema Fremdsprachenerwerb fast augenblicklich folgende Sätze in meinem Gehirn auf: „Ich kann kein Englisch. Ich bin nicht gut in Sprachen.“ Heute kann ich zumindest vom Kopf her sagen, dass das so nicht stimmt, dass das „nur“ meine negativen Erfahrungen damit sind, die sich in mir eingebrannt haben.

Diese spüre ich am eigenen Leib: Die ersten Sätze im Gespräch mit Fiona, der Freundin meines Bruders, sind immer voller Anspannung: Ist meine Satzstellung korrekt? Betone ich richtig? Wie war das gleich mit den If-Sentences? Anstatt frei und ungezwungen drauflos zu reden, um mit ihr in Kontakt zu gehen, stecke ich fest in meinen oben erwähnten Glaubenssätzen.

Aus der Hirnforschung wissen wir heute, wie wichtig eine entspannte Lernumgebung ist. Denn das Gefühl wird mit dem Erlernten verknüpft und jedes Mal wieder hervorgerufen, wenn man sich erneut mit dem jeweiligen Thema auseinandersetzt. Dank meiner Söhne erlebe ich nun, wie lustvoll Sprache gelernt werden kann, und indem ich sie beobachte, können auch meine Wunden heilen. Meine anfängliche Neugier, die Begeisterung für die neue Sprache, die ich als zehnjähriges Mädchen noch hatte, können wieder auftauchen. Denn wenn das Erlernen von etwas Neuem ohne Bewertung und ohne Stress passieren darf, entsteht eine ganz besondere Stimmung. So wie gerade eben.

Erneut dringt schallendes Gelächter aus unserem Arbeitszimmer, denn nun wird mit dem Spracherkennungsprogramm im wahrsten Sinne des Wortes gespielt. Jonas und Elias haben entdeckt, dass es genauso viel Spaß macht, die Wörter bzw. Sätze bewusst falsch auszusprechen. Nach mehreren fehlerhaften Aussprachen gibt das Programm auf, und es ertönt der Satz: „It seems not to be your day.“„Anscheinend ist heute nicht dein Tag.“ Doch davon lassen sich Jonas und Elias nicht aufhalten. Unter Gekicher wird einfach auf das nächste Kästchen gedrückt.

Die beschriebenen Szenen liegen nun schon wieder Monate zurück. Die ausgeborgten CDs und Bücher wurden zurückgebracht, und ich bin gespannt, wann die Zeit reif ist für den nächsten Schritt. Wie wird dieser ausschauen? Werden sich die Kinder wieder verschiedene Unterrichtsmaterialien ausborgen? Werden sie den Wunsch haben, mit einem Native Speaker weiterzulernen? Werden englische Liedertexte den Ausschlag für ein neuerliches Hinwenden geben, um die Texte endlich auch selbst verstehen zu können? Oder ist Englischlernen für lange Zeit einfach mal nicht dran?

Was seit damals auch nicht mehr dran war und ist: Die FBI-Seite lesen zu können. Schließlich hat der Detektivclub seinen ersten eigenen Fall zu lösen: In einem Gemeinschaftswohnprojekt verschwinden immer wieder Küchenutensilien auf unerklärliche Weise. Um den Grund dafür herauszufinden, braucht es derzeit ganz andere Fähigkeiten wie z. B. die Art und Weise, wie eine gute Zeugenbefragung durchgeführt wird. Immer wieder können wir jedoch beobachten, dass Jonas und Elias englische Wörter sowohl in unsere Gespräche als auch in ihre Spiele einbauen. Sie spielen Englisch reden und ihre Aussprache und Intonation klingen fast perfekt, auch wenn es sich meistens um selbst erfundene Kunstwörter handelt.

Eines ist sicher: Staunend werden wir dabei sein, wenn Jonas und Elias wieder von der Englischlernlust gepackt werden.

Arno Stern, Begründer des Malortes:

Kinder und schöpferische Menschen schauen nicht auf das Geschehene, sondern erleben das gegenwärtig Geschehende.

Sigrid Haubenberger-Lamprecht: „Was brauche ich zum Glücklich-Sein?“ Die Suche nach Antworten auf diese Frage führt mich immer zu meinen Begeisterungen und damit zu mir selbst. Durch meine beiden Söhne und meinen Mann habe ich außerdem gelernt, wie wichtig mir eine entspannte und wertfreie Umgebung ist. Dies versuche ich im Zusammenleben mit meiner Familie und darüber hinaus u.a. in meinem Malort zu leben. So bin ich dankbar für das, was ist, und neugierig auf alles, was noch gelebt werden will. www.malort-wien.at


 

„Die Veränderungsprozesse, die wir brauchen, müssen wir vor Ort einfordern!“

JJK: Die Gastbeiträge sollen eine bestimmte Bandbreite von Ansichten abbilden.
Dabei müssen die Inhalte nicht automatisch die Sichtweise des Verlags oder das Meinungsspektrum von Verlagsmitarbeitern wiederspiegeln.

Bisherige Veröffentlichungen zu diesem Thema:

EIN INTERVIEW ÜBER DAS FREILERNEN

BEVOR DER ERNST DES LEBEN BEGANN

SCHOLÉ HAUPTANLIEGEN FÜR 2018: LEGALISIERUNG DES FREILERNENS

SCHOLÉ: INITIATIVE FÜR BILDUNGSFREIHEIT

SCHOLÉ: MUSSE FÜR HERZ UND GEIST


 

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