EIN INTERVIEW ÜBER DAS FREILERNEN

Von Heidrun Krisa


DIESER GASTBEITRAG IST AUS DEM BUCH >>> LERNEN IST WIE ATMEN, S. 25-31


 

Antworten auf die Fragen einer Studentin

 

Was bedeutet es, Freilerner zu sein?

Freilernen ist für uns eine Lebenshaltung. Das Fundament dafür wurde gelegt durch die Bücher von Dr. Emmi Pikler (Laßt mir Zeit), deren Schülerin Magda Gerber (Dein Baby zeigt dir den Weg) sowie jene von Rebeca Wild (Mit Kindern leben lernen; Lebensqualität für Kinder und andere Menschen). Rebeca Wilds letztes Buch (erschienen 2013) ist für mich besonders wichtig: Entwicklungsetappen. Es zeigt auf, wie der Mensch sich von seiner ersten Zellteilung an bis zum Greis immer weiterentwickelt, um sein volles menschliches Potential zur Entfaltung zu bringen, wenn die jeweiligen Entwicklungsbedürfnisse geachtet werden. Voraussetzung dafür ist eine respektvolle und nichtdirektive Umgebung! Diese Entfaltung versuchen wir unserem Sohn zu ermöglichen und sehen das am ehesten durch das Freilernen gegeben.

Warum ist euer Kind „Freilerner“ geworden?

Das hat sich ganz natürlich so entwickelt. Als unser Sohn ein halbes Jahr alt war, haben wir mit einer Pikler-Spielraum-Gruppe begonnen. Über die Jahre der nichtdirektiven Begleitung ist für uns immer klarer geworden, dass Institutionen diesen von uns gewählten Weg zerstören würden. Auch alternative Kindergruppen waren nicht interessant, weil unser Sohn keine Kindergruppensituationen mochte. Somit war dann auch bald klar, dass er keine Schule besuchen würde.

Was würdet Ihr am deutschen Schulsystem ändern?

Aus eigener Erfahrung kenne ich nur das österreichische Schulsystem. Hier wie dort würde ich mit sofortiger Wirkung die Pflicht abschaffen! Das würde eine heilsame und befreiende Bewegung in die erstarrten Strukturen bringen. Jene, die die Informationen der Schule nützen möchten, können das für sich in Anspruch nehmen, und sie werden nicht mehr von unglücklich Zwangsverpfichteten dabei gestört. Sukzessive würde ich das Angebot ausbauen und ganz besonders durch kreative Tätigkeiten aller Art (Tanz, Theater, Musik, Handwerk etc.) erweitern. Dabei ist wichtig, dass alle Angebote gleichgestellt sind. Bewertung und Beurteilung braucht es nicht; Vergleich und Konkurrenz sollen der Entwicklung von echter Kooperation Platz machen. An der Organisation wirken alle Beteiligten (Schüler, Lehrer, Eltern) gleichberechtigt mit. Es gibt Versammlungen, wo jede Stimme gehört und ernst genommen wird.

Was gibt es für Nachteile am Freilernersein?

Derzeit ist es in Österreich so, dass am Ende des Schuljahres eine Prüfung nach dem staatlichen Lehrplan vorgeschrieben ist. Das passt mit dem Freilernen nicht zusammen, weil jeder Mensch seine Interessen ganz unterschiedlich entwickelt und nicht nach Plan von außen. Manches mag übereinstimmen, aber keinesfalls der gesamte „Jahresstoff“. Im Grunde werden Freilerner dadurch zum „Homeschooling“ gezwungen, was mit unserer Lebenshaltung nicht vereinbar ist. Auch das Bewerten und Abprüfen passt für uns nicht. Die finanzielle Benachteiligung besteht darin, dass die Eltern viel Zeit und Energie in die Begleitung der Freilernerkinder investieren und dadurch weniger Zeit und Energie haben, um Geld zu verdienen. Ein Kind, das in Österreich nicht in die Volksschule geht, erspart dem Staat im Jahr 6000 Euro. Dieses Geld wird nicht an die Eltern ausbezahlt. Vielmehr zahlen sie mit ihren Steuern auch das unnötig teure Schulsystem!

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Was gibt es für Zweifel, Freilerner zu sein?

Derzeit besteht die größte Unsicherheit darin, nicht zu wissen, wie der Konflikt mit den Schulbehörden sich entwickeln wird. Es gibt in ganz Österreich einige Familien, die ihre Kinder nicht zu den Prüfungen schicken und deren Kinder dennoch nicht in die Schule gehen (was gefordert wird). Je nach Bezirk und Bundesland gibt es verschiedene Erfahrungen damit. Diese Familien sind offen, mit den Behördenvertretern ins Gespräch zu gehen und nach sinnvollen Lösungen zu suchen (z. B. andere Formen der Gleichwertigkeitsfeststellung zu entwickeln). Persönliche Zweifel, ob es richtig ist, diesen Weg zu gehen, werden umso kleiner (bis hin zum Verschwinden), je länger man auf dem Freilernerweg unterwegs ist. Unsere Erfahrungen, Beobachtungen und Erlebnisse sowie Reflexionen und der Austausch mit anderen Freilernern sind so bestärkend, dass sich Zweifel bald in Luft auflösen.

Wie findet man soziale Kontakte – besonders für den Vormittag?

Meinem Sohn ist es sehr wichtig, viel Zeit für seine eigenen Projekte zu haben. Er baut Legostädte und spielt damit Situationen aus dem Alltag nach (z. B. Zirkus, Weihnachten, Faschingsumzug etc.). Er übt und entwickelt eigene Zauberkunststücke, stellt ganze Vorstellungsprogramme zusammen und überrascht uns und Freunde mit seinen Tricks. Inzwischen ist er auf Geburtstagsfeiern mit seinem Programm schon sehr gefragt. Mit unserer Videokamera filmt er unterschiedliche Tiere (Enten, Igel, Katzen etc.), macht Kurzfilme mit seinen Freilernerfreunden, filmt seine Pestasbahnen (ähnlich den Dominosteinen) beim Umfallen, erfindet Lego-Brick-Filme und, und, und. Alle diese Filme bearbeitet er selbst und stellt sie auch ins Internet. Er 33 liebt es, Unmengen von Büchern zu lesen – Büchereien sind unbezahlbar! Mit all diesen (und noch viel mehr) Tätigkeiten vergeht die erste Hälfte des Tages wie im Flug. Mein Sohn hat mehrere Freunde – Buben und Mädchen, mit denen er zeitweise zusammen ist. Gelegentlich treffen wir uns zu verschiedenen Unternehmungen (Ausflüge, Hallenbad, Eislaufen, Schifahren, Theater etc.). Tägliche Treffen hat mein Sohn noch nie verlangt. Wir leben in einer Kleinstadt und fahren regelmäßig (ein- bis dreimal pro Woche) nach Wien – häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Schon dadurch ergeben sich viele Interaktionen mit anderen Menschen. Außerdem haben wir Freunde, Bekannte und Familienmitglieder wie alle anderen Menschen auch.

Wie sieht der Alltag eines Freilerners aus?

1. Ausschlafen
2. Frühstücken (Frischkornbrei mit frischen Früchten und Nüssen)
3. Diverse Projekte: Lesen, Lego bauen, Zaubern, Filmen und Bearbeitung, Pestasbahnen aufstellen, Kerzen gießen, Nudeln machen, Kekse backen, Gärtnern, Kater betreuen, mit Oma telefonieren etc.
4. Mittagessen machen und essen
5. Projekte fortführen oder
6. Zeit für Bücherei, Malort nach Arno Stern, Bewegungs- raum nach Pikler/Hengstenberg, Ballspielgruppe, Radfahren, Rollerfahren, Treffen mit Freunden, Treffen der Detektivgruppe, Müllsammeln in der Stadt, Schwimmen, Eislaufen, Großeltern besuchen etc.
7. Abendessen
8. Lesen
9. Schlafen gehen (zwischen 21 und 23 Uhr)

Alles Lernen ist nicht einen Heller wert, wenn Mut und Freude dabei verloren gehen.

Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827), Schweizer Pädagoge

 

Heidrun Krisa: Als Biologin sehe ich: Es ist höchste Zeit, dass wir wieder MIT UNSERER NATUR leben! Wir sind es uns, unseren Nachkommen und diesem Planeten schuldig. Daran mitzuwirken und die Nachhaltigkeit natürlicher Lernprozesse aufzuzeigen ist für mich eine sinnstiftende Tätigkeit. Ich möchte keinen anderen Alltag mehr leben!


 

Freilerner: Schule ohne Lehrer | Galileo | ProSieben

 

Bisherige Veröffentlichungen zu diesem Thema

BEVOR DER ERNST DES LEBEN BEGANN

SCHOLÉ HAUPTANLIEGEN FÜR 2018: LEGALISIERUNG DES FREILERNENS

→  SCHOLÉ: INITIATIVE FÜR BILDUNGSFREIHEIT

→  SCHOLÉ: MUSSE FÜR HERZ UND GEIST


 

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