DAS WERTVOLLSTE GESCHENK FÜR UNSERE KINDER

Von Alexandra Terzic-Auer


Werfen wir unsere Ängste über Bord! Freuen wir uns lieber auf die wunderbaren Überraschungen, die uns bevorstehen könnten, wenn wir uns auf das Abenteuer der Freiheit einlassen.

Beitragsbild © Andrea Percht

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SCHOLÉ-NACHRICHTEN MAI 2021

Liebe Scholé-Freunde,

Diesmal sende ich euch einen Artikel über BILDUNGSFREIHEIT, den ich gerade für das Magazin „unerzogen“ geschrieben habe:

Dieser Beitrag ist der fünfte und letzte einer Reihe von Artikeln über das Freilernen. Meine Freunde aus dem Verein freilerner.at  Susanne Sommer, Sigrid Haubenberger-Lamprecht, Gudrun Totschnig, Marie-Sophie Frei, Heidrun und Harald Krisa sind alle aktive Freilerner-Eltern und haben verschiedene Aspekte dieser Lebensform, von der Rechtslage bis zu kognitionswissenschaftlichen Erkenntnissen, schon ausführlich beschrieben. Was ich beisteuern kann, ist die Außensicht einer teilnahmsvollen Beobachterin, denn ich selbst gehöre einer anderen Generation an und bin dem Freilernen erst begegnet, als meine Kinder die Schule bereits hinter sich hatten.

Meine persönlichen Erfahrungen in 7 verschiedenen Schulen

sind mit zahlreichen traumatischen Erinnerungen verbunden. In Klassenräumen und Internats-Schlafsälen habe ich mich immer wie im Gefängnis gefühlt, ausgesperrt aus der wirklichen Welt. Wie viele spannende Dinge hätte ich tun können, wenn ich frei gewesen wäre! So aber blieb mir nur die Flucht in die imaginären Welten der Bücher, die ich heißhungrig verschlang. Wenn ich jungen Leuten erzähle, was ich in katholischen Internaten alles miterlebt habe, klingt das in ihren Ohren wie ein Schauermärchen aus grauer Vorzeit. Ja, solche Geschichten gehören inzwischen tatsächlich einer fernen Vergangenheit an, denn in den 50 Jahren, die seit dem Ende meiner Schulzeit vergangen sind, hat sich in unserem Bildungssystem doch Vieles merklich verbessert – jedenfalls an der Oberfläche. Die Grundstruktur des Systems scheint mir jedoch gleich geblieben zu sein, denn es gibt einen heimlichen Lehrplan, den der vielfach ausgezeichnete Lehrer John Taylor Gatto glasklar durchschaut und in seinem Buch „Verdummt nochmal!“ genial beschrieben hat. Dieser heimliche Lehrplan sorgt in erster Linie dafür, dass Kinder zu funktionierenden Rädchen erzogen werden, um das bestehende System am Laufen zu halten.

Das Budget für den aufgeblähten Beamtenapparat, der unermüdlich neue Gesetze und Verordnungen ersinnt, steigt von Jahr zu Jahr. Wie es Kindern, Eltern und Lehrern im Schulalltag wirklich geht, ist Nebensache.

Die meisten Lernenden und Lehrenden müssen sich mit frommen Wünschen und schönen Sprüchen über Förderung der Kreativität, Schulautonomie, Potenzialentfaltung usw. begnügen. Von der Realität sind solche  Schlagworte der modernen Pädagogik im Regelfall weit entfernt.

Obwohl zahlreiche engagierte Lehrerinnen und Lehrer unter großem persönlichen Einsatz gegenzusteuern versuchen, sorgt die starre Struktur des Systems dafür, dass in fast allen Bildungsinstitutionen unserer Konsumgesellschaft weiterhin unselbstständige, passive und leichtgläubige Konsumenten herangebildet werden.

Viele Jahre lang habe ich mich für Kinder eingesetzt, die aus verschiedenen Gründen die von der Schule geforderten Anpassungsleistungen an dieses System nicht schafften. Unter ihnen gab es so genannte Minderbegabte ebenso wie so genannte Hochbegabte und Hochsensible. Wer von der angestrebten Norm des anpassungswilligen und anpassungsfähigen Schülers allzu weit abweicht, muss damit rechnen, stigmatisiert zu werden. Die besonderen Begabungen, die jeder einzelne meiner Schützlinge mitbrachte, interessierten die Verantwortlichen nicht. Sie sahen nur deren „schulische Defizite“ und rieten zu diversen Therapien, deren einziges Ziel es war, das Kind möglichst rasch schultauglich zu machen. Alle Vorschläge, stattdessen doch lieber das System den Bedürfnissen der Kinder anzupassen, stießen auf taube Ohren oder offene Empörung. Obwohl ich mich darüber viele Male grün und blau geärgert habe, bin ich doch nie auf den naheliegenden Gedanken gekommen, dem System irgendwann einfach den Rücken zu kehren…

Dieses Aha-Erlebnis verdanke ich André Stern. Sein Buch „…und ich war nie in der Schule“ hat mir den rettenden Ausweg schlagartig sichtbar gemacht. Ungeachtet aller Enttäuschungen über halbherzige oder gescheiterte Schulreformen hatte ich einen so „radikalen“ Gedanken bis dahin nie zu denken gewagt. Ich musste also zunächst am eigenen Leib erfahren, wie tief das unbewusste Programm sitzt, das uns allen in der Kindheit eingeimpft wurde! Deshalb verspüre ich großes Mitgefühl mit ängstlichen Eltern, die sich unter Bildung nichts anderes vorstellen können als Schulbildung. Denn ich kann mich nur zu gut erinnern, wie lange ich selbst gebraucht habe, um das Brett vor meinem Kopf zu bemerken und über diese scheinbar unverrückbare Grenze hinaus zu denken.

Schetininschule im November 2013

Mein nächster Befreiungsschritt war eine Reise in die legendäre Schetininschule im November 2013. In dem russischen Dörfchen Tekos habe ich mit eigenen Augen gesehen, wozu junge Menschen fähig sind, wenn sie ihren inneren Lern- und Wachstumsimpulsen folgen dürfen. Die etwa 150 Mädchen und Burschen im Alter zwischen 9 und 18 Jahren, denen ich dort begegnet bin, strahlten ernsthaftes Selbstbewusstsein und fröhliche innere Ruhe aus. Ihre Tage waren erfüllt mit körperlichen und geistigen Aktivitäten, für die sie sich freiwillig entschieden hatten. Je nach den Notwendigkeiten des Alltags, natürlichen Gegebenheiten wie Wetter und Jahreszeit, den Zielen, die sie sich gemeinsam gesteckt hatten, und den besonderen Wünschen einzelner Beteiligter organisierten sie selbst ihre Gemeinschaftsprojekte. Unterstützt wurden sie dabei von kaum älteren Lernbegleitern, großteils Absolventinnen oder Absolventen der Schetininschule. Die Lernbegleiter hatten die Aufgabe, möglichst wenig einzugreifen, sondern nur darauf zu schauen, dass sich alle immer wohl fühlen:

Körperlich-seelisch-geistiges Wohlfühlen wurde in Tekos als DIE entscheidende Voraussetzung für gelingende Lern- und Entwicklungsprozesse erkannt und ernst genommen!

Welche Früchte eine solche Einstellung hervorbringt, konnten Besucher auf Schritt und Tritt bestaunen: Die Häuser, in denen sie wohnten und arbeiteten, hatten Schülerinnen und Schüler eigenhändig erbaut, eingerichtet und mit Schnitzwerk und Wandmalereien verziert. Das Gemüse, das auf den Tisch kam, hatten sie großteils selbst gepflanzt und geerntet. Für die virtuosen Gesangs- und Tanzvorführungen, mit denen sie ab und zu sogar öffentlich auftraten, hatten sie die Kostüme selbst geschneidert und die komplexe  Choreographie miteinander erarbeitet. Es gab in Tekos eine Bibliothek und einen Internetanschluss, aber keine Lehrpläne, keine Noten, keine Klassen, keinen Unterricht. Je vier bis zehn Schülerinnen und Schüler schlossen sich zu Kleingruppen zusammen, um sich bestimmte Wissensgebiete mit Hilfe der Schaubildarbeit anzueignen. Die Schaubildarbeit ist eine sehr kreative, von jeder einzelnen Schülergruppe in Tekos aktiv weiterentwickelte Methode, bei der die emotionalen Zugänge zu einem Thema eine mindestens so wichtige Rolle spielen wie die kognitiven Inhalte, um die es gerade geht.

Selbstbestimmtes Lernen

Erfüllt von diesen überwältigenden Eindrücken kehrte ich nach Wien zurück und gründete mit einer Freundin einen Verein zur Förderung freien, selbstbestimmten Lernens. Um ängstlich besorgten Eltern begreiflich zu machen, dass in ihren Kindern ungeahnte Fähigkeiten stecken, veranstalteten wir Kurse zum Sehen ohne Augen. Mamas und Papas staunten nicht schlecht, wenn ihre Kinder oft schon nach einer halben Stunde Farben und Formen erkennen konnten, obwohl ihre Augen durch eine lichtundurchlässige schwarze Brille abgedeckt waren. Noch überzeugender war die Auswirkung auf die Kinder: Die neu entdeckte Fähigkeit stärkte ihr Selbstbewusstsein merklich – allerdings nur solange ihre Eltern sich mit ihnen mitfreuten! Als ein misstrauischer Vater seinen Sohn bei der Heimkehr verdächtigte, geschwindelt zu haben, brach der Zehnjährige in Tränen aus und konnte ab da mit verbundenen Augen tatsächlich nichts mehr sehen…

Über unseren Verein lernte ich immer mehr Pioniere und Pionierinnen des selbstbestimmten Lernens persönlich kennen und lieben. Unterstützung brauchen diese Familien nur in juristischen Belangen, ansonsten sind mir nie zuvor lebendigere und präsentere Erwachsene und Kinder begegnet. Außenstehende denken ja oft, dass Menschen, die von den Behörden als Gesetzesbrecher angeklagt und regelmäßig zu Strafzahlungen verdonnert werden, ständig unter Stress stehen. In Wirklichkeit erleben die meisten Freilernereltern nur kurze Phasen der zornigen Verzweiflung, wenn es ihnen wieder einmal nicht gelungen ist, Gerichten oder Jugendämtern ihre Haltung begreiflich zu machen: Dass sie als Eltern sich verpflichtet fühlen, nach bestem Wissen und Gewissen das Selbstbestimmungsrecht ihrer Kinder zu verteidigen, während die Amtsträger sich stur auf den Buchstaben eines toten Gesetzes berufen…

In den langen ruhigen Phasen dazwischen führen Freilernerfamilien ein weitaus entspannteres und friedlicheres Leben als Familien mit Kindern, die täglich zur Schule gehen müssen. Eben dieses ungestörte selbstbestimmte Leben ist den Behördenvertretern jedoch ein Dorn im Auge. Kein Wunder, denn es rüttelt ja tatsächlich an den Fundamenten des Untertanenstaates, dem sie ihre Posten verdanken und den sie aufrechterhalten sollen. Für die staatlichen Behörden ist das Kindeswohl ein allgemeiner Rechtsbegriff. Ob das einzelne Kind sich tatsächlich wohl fühlt, steht gar nicht zur Debatte.

Mehrfach habe ich erlebt, dass von Richtern bestellte Pädagoginnen und Psychologinnen nur bestätigen konnten, dass es den frei lernenden Kindern, die sie zu begutachten hatten, an nichts fehlte – außer an den Schulzeugnissen, die Vater Staat nach wie vor als unerlässlichen Beweis für die Wahrung des Kindeswohls definiert.

Ein junger Mensch ohne Schulabschlüsse hat im Berufsleben keine Chancen, steht im Urteil des Obersten Gerichtshofs zu lesen. Aus Ländern, wo Unschooling gesetzlich erlaubt ist, gibt es zahlreiche Studien, die das Gegenteil beweisen. Doch diese Studien wurden von den österreichischen Gerichten bewusst ignoriert.

Da ich beruflich mit Kinesiologie und systemischen Aufstellungen arbeite, war die Begegnung mit den Freilernern für mich ein ganz besonderer Glücksfall. Mein Beruf hat mich gelehrt, dass körperliche oder seelische Probleme fast immer ein Hinweis darauf sind, dass ein Mensch von seinem individuellen Lebensweg abgewichen ist. Weil es über den kinesiologischen Test möglich ist, Zugang zum Informationsfeld eines Menschen zu erhalten, kann ich Ratsuchenden die jeweils maßgeschneiderten Antworten aus ihrem eigenen Inneren übermitteln. Bei meiner Arbeit geht es also darum, Menschen, die Hilfe suchen, ihre eigene innere Stimme wieder vernehmlich zu machen. Diese unglaublich abwechslungsreiche und bereichernde Übersetzungstätigkeit bekräftigt die Haltung der Freilerner: So verschieden die Nöte und Probleme der Menschen auch sein mögen, die heilende Botschaft aus ihrem Inneren lautet im Grunde immer gleich: „Folge deinen Impulsen! Vertraue dem Leben! Geh deinen eigenen Weg und kümmere dich nicht darum, was andere dazu sagen. Nur so kannst du deine einzigartige Lebensaufgabe erfüllen und glücklich werden!“

Tagein tagaus habe ich mit dem Leid von Menschen zu tun, die durch äußere Umstände und verinnerlichte Zwänge so verwirrt wurden, dass sie ihre eigenen Träume und Bedürfnisse gar nicht mehr wahrnehmen. Die Wenigen, denen das bewusst geworden ist, bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs, denn bei genauerem Hinsehen leben wir ja insgesamt in einer durch Selbstentfremdung traumatisierten Gesellschaft. Wieder zurückzufinden zur eigenen Spur, von der die meisten schon als Kleinkinder abgedrängt wurden, ist seelische Schwerarbeit und kann Jahre oder Jahrzehnte dauern. Welch ein Geschenk, wenn ein Kind seinen einzigartigen Weg nicht verlassen muss!

Ein wertvolleres Geschenk ist gar nicht denkbar, denn ein Mensch, dessen Bedürfnisse und Herzenswünsche in den entscheidenden Prägungsphasen der Kindheit respektiert worden sind, wird lebenslang sich selbst, seine Mitmenschen und die Natur respektieren. Und er wird auch keine äußeren Anreize wie Ruhm oder Reichtum brauchen, um freudig seine Lebensaufgabe zu erfüllen.

Leider gibt es in unserer Zivilisation nur wenige solche Glückskinder. Die Freilernerkinder, die ich persönlich kennenlernen durfte, gehören auf jeden Fall dazu. An ihnen konnte ich studieren, wie unterschiedlich und vielfältig individuelle Entwicklungswege verlaufen und wie sehr auch die Eltern bei der achtsamen Begleitung ihrer Kinder geistig und seelisch  weiter wachsen. Staunend habe ich beobachtet, wie wenig Kinder brauchen, deren natürliche Bedürfnisse ernst genommen werden. Wie bald sie das Vertrauen, das in sie gesetzt wird, rechtfertigen, indem sie schon früh ein ganz ungewöhnliches Maß an Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Selbstständigkeit und Kompetenz bei der Bewältigung ihrer selbst gewählten Aufgaben zeigen. Ihr Verhalten beweist außerdem, wie unsinnig die gängige Meinung ist, Kinder bräuchten aus sozialen Gründen die Zwangsgemeinschaft mit Gleichaltrigen.

Nein, Kinder sind von Natur aus soziale, kooperative Wesen und finden Freunde unter Menschen verschiedensten Alters, wenn sie sich diese selbst aussuchen dürfen und nicht zur Konkurrenz mit Gleichaltrigen erzogen werden!

Was unsere Gesellschaft den mutigen Eltern verdankt, die ihren Kindern ein Aufwachsen in Freiheit ermöglichen, lässt sich noch gar nicht abschätzen. Diese Kinder bringen von Anfang an die nötigen Voraussetzungen mit, um eine kooperative, friedliche neue Welt zu erschaffen. Seit Beginn der Corona-Krise wird ja immer deutlicher erkennbar, dass wir nicht weiterleben können wie bisher. Das Tauziehen um Sicherheit oder Freiheit, Fremdbestimmung oder Selbstbestimmung, spitzt sich zu. Ständige Tests, Maskenzwang und die drohende Impfpflicht an den Schulen haben vielen sensiblen Menschen die Augen geöffnet. Immer mehr Eltern, Großeltern und sogar Lehrende trauen sich erstmals laut zu sagen, dass unser derzeitiges Schulsystem offensichtlich nicht auf das Wohl der Kinder ausgerichtet ist.

Väter, Mütter und engagierte Lehrende tun sich zusammen

Einige von ihnen, die schon länger mit dem Gedanken gespielt hatten, diesem System den Rücken zu kehren, finden unter dem Druck der Verhältnisse nun endlich die Kraft, aktiv zu sich und ihren Kindern zu stehen. Väter, Mütter und engagierte Lehrende tun sich zusammen, um auf Vereinsbasis neue Lernorte zu gründen, wo Kinder tatsächlich die Chance bekommen sollen, ihr angeborenes Potenzial frei zu entfalten. Übrigens sieht nun auch die Schetininschule, die 2019 nach dem Tod ihres Gründers geschlossen wurde, einer neuen Zukunft entgegen: Junge Pädagoginnen und Pädagogen aus Deutschland und Österreich bemühen sich gemeinsam mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern von Michail Schetinin um die Verbreitung seiner Ideen und die Wiedereröffnung der Schule in Tekos.

Tekos ist eine große Internatsschule, von außen betrachtet also das exakte Gegenteil des freien Lernens im kleinsten Rahmen der eigenen Familie. Doch da wie dort habe ich nur zufriedene Kinder kennengelernt. Mobbing oder die von Eltern und Lehrern so gefürchteten Motivations- und Disziplinarprobleme scheint es weder in Tekos noch bei den Freilernern zu geben. Was haben diese scheinbar gegensätzlichen Bildungsformen gemeinsam?

  • Das Vertrauen in die Natur des Kindes. Jedes Kind ist von Natur aus darauf angelegt zu lernen und Schritt für Schritt sein Potenzial zu entfalten. Zu dieser extrem lustvollen Tätigkeit muss, ja darf es von niemandem gezwungen werden! Wichtig ist vielmehr, dass sich das Kind wohl fühlt und von achtsamen, liebevollen Menschen umgeben ist, alles andere ergibt sich dann wie von selbst. Der Titel eines Buches über Erfahrungen mit dem selbstbestimmten Lernen, das ich gemeinsam mit Gudrun Totschnig und Sigrid Haubenberger-Lamprecht herausgegeben habe, bringt diesen Gedanken sehr klar zum Ausdruck: „Lernen ist wie Atmen“.
  • Die Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht des Kindes. In Tekos blieben von 100 Bewerbern nicht mehr als ein bis zwei übrig, die sich in die bestehende Gemeinschaft harmonisch einfügen konnten und unbedingt dort bleiben wollten. In manchen Freilernerfamilien mit mehreren Kindern wollen die einen zu Hause bleiben, während andere sich irgendwann für den Besuch einer Schule oder einer Lerngruppe entscheiden. Ihre Eltern respektieren beides.

Die vielen engagierten Menschen, die gerade dabei sind, neue Lernorte zu gründen, werden, glaube ich, auf Dauer nur dann Erfolg haben, wenn sie sich an diese beiden Grundsätze halten. Die Frage, welche Lernmethode die beste wäre, wird sich hoffentlich bald ebenso erübrigen wie endlose Diskussionen über die nötigen Unterrichtsmaterialien, die ideale Größe einer Lerngruppe oder die erforderliche Ausbildung von Lehrenden bzw. Lernbegleitern, an denen schon viele alternative Bildungsprojekte gescheitert sind. All diese Fragen sind Merkmale des alten Bildungswesens, in dem der Fokus auf die vom System geforderten Leistungen und die vom System verliehenen Zeugnisse gerichtet war.

Sobald wir die Blickrichtung umdrehen und den Fokus auf die Bedürfnisse der Kinder richten, die wir konkret vor uns haben, lernen wir Erwachsenen, die Umgebung, in der wir uns befinden, mit IHREN Augen zu sehen.

In jedem beliebigen Umfeld, sei es im Inneren eines Gebäudes oder im Freien, auf dem Land oder in der Stadt, entdecken unverbildete Kinder immer neue Möglichkeiten, zu spielen und dabei sich selbst und die Welt zu entdecken. Freiwilliges Lernen ist also nichts anderes als Spielen!

Von uns Erwachsenen brauchen Kinder und Jugendliche nur liebevolle Begleitung, Antworten auf ihre Fragen, manchmal Begleitschutz und auf jeden Fall aufrichtige Freude über ihre Entdeckungen. Was sie sonst noch gerne hätten, werden die Kinder uns schon sagen – und wir werden staunen, wie bescheiden die meisten ihrer Wünsche sind.

Werfen wir unsere Ängste über Bord! Freuen wir uns lieber auf die wunderbaren Überraschungen, die uns bevorstehen könnten, wenn wir uns auf das Abenteuer der Freiheit einlassen. Nicht nur an unseren Kindern, sondern auch an uns selbst werden wir nämlich erleben, wieviel ungenutzte Kreativität in uns allen steckt und wozu wir fähig sind, wenn wir wirklich freiwillig und aus tiefster Überzeugung handeln!

Mit grüngoldenen Maigrüßen
Alexandra

 

→ QUELLE: SCHOLÉ-NACHRICHTEN

 

Alexandra Terzic-Auer, geb. 1952. Nach interdisziplinären, nie abgeschlossenen Studien war ich viele Jahre als Verlagslektorin und Übersetzerin tätig. Kinder – meine eigenen und viele andere – haben meine Weltsicht nachhaltig erweitert, ebenso wie die Arbeit mit Kinesiologie und systemischen Aufstellungen. In der Freilerner-Bewegung sehe ich den Beginn eines Bewusstseinwandels, den ich mit meinem Projekt „Scholé – Muße für Herz und Geist“ freudig unterstütze, so gut ich kann. → www.schole.at

(Einzelne Hervorgebungen in diesem Beitrag von JJK.)


 


 

 

Veröffentlichungen am Lichtwelt-Blog
Aus dem Buch LERNEN IST WIE ATMEN:

 

WIE DÜRFEN KINDER LERNEN?

MUßE, NICHT ARBEIT, IST DAS ZIEL DES MENSCHEN

VOM PRÜFEN UND BEWERTEN

PAPA, WIR WOLLEN DIE FBI-SEITE LESEN KÖNNEN!

EIN INTERVIEW ÜBER DAS FREILERNEN

BEVOR DER ERNST DES LEBEN BEGANN

SCHOLÉ HAUPTANLIEGEN FÜR 2018: LEGALISIERUNG DES FREILERNENS

SCHOLÉ: INITIATIVE FÜR BILDUNGSFREIHEIT

SCHOLÉ: MUSSE FÜR HERZ UND GEIST


 

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