REKORDE, SENSATIONEN UND FUSSBALLWUNDERTEAM

Von Walter Koblenc


→ Aus der vierteljährlichen Publikation Das Recht auf Wahrheit
→ Ausgabe Frühjahr/Sommer 2018 Österreich feiert: 100 Jahre Republik


Einleitung von Jahn J Kassl

Heute wundern wir uns manchmal über Österreichs Nationalmannschaft und leider wundern sich die Deutschen über ihre Nationalmannschaft (oder einfach über »die Mannschaft«, da das Wort »N(n)ational« für den DFB politisch nicht mehr korrekt ist), derzeit noch mehr.

Aber einstmals gab es in Österreich ein richtiges Wunderteam, das es 1932 bis zum Europameister brachte. Und davon handelt dieser letzte Beitrag aus der Jubiläumsaugabe von DAS RECHT AUF WAHRHEIT zum Thema: »100 Jahre Republik Österreich.«

Mein abschließender Dank ergeht an Herausgeber Walte Koblenc für die freundliche zur Verfügungstellung dieser Beiträge und für die effiziente als auch entspannte Zusammenarbeit. Geht es nach mir, dann gerne jederzeit wieder, denn gut aufbereitete Zeitgeschichte ist spannend und bietet Lesefreuden.

In diesem Sinne, hoffe ich, dass auch für Sie geschätzte Leser die einzelnen Gastbeiträge interessant und eine aufschlußreiche Lektüre waren.

Vom Herzen und heute mit sportlichen Grüßen,

Jahn J Kassl

 

PS: Am Ende des Beitrages habe ich meinen ganz persönlichen Fußballleckerbissen
mit dem legendären Sportkommentator Ing. Edi Finger (1924 – 1989) eingestellt!
Unsere fußballbegeisterten deutschen Leser mögen es mir nachsehen …?


 

Rekorde, Sensationen und Fußballwunderteam

Gerade jetzt, in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit und Armut, hat der Sport eine wichtige, gesellschaftspolitische Funktion. Denn auch der Sport verbindet die Menschen. Nicht umsonst wird die Zwischenkriegszeit auch als die Geburtsstunde des Massensports angesehen.

Ein wichtiger Bestandteil des Lebens

Vor allem in der Stadt locken Sportereignisse die Massen an: So findet beispielsweise in Wien im Juli 1931 die Arbeitersport-Olympiade statt, an der rd. 25.000 Sportler aus aller Welt teilnehmen. Dabei wird auch das Wiener Praterstadion am 11. Juli 1931 feierlich eröffnet.

Rd. 20.000 Zuseher lockt 1931 ein internationaler Schisprungwettbewerb auf der Cobenzl-Schanze an, bei dem Weiten bis zu 38 Metern erzielt werden.

Der erste Schlepplift Österreichs wird 1936 in Zürs/Vorarlberg eröffnet.

Spitzenleistungen der Spitzensportler

Österreichs Spitzensportler machen auch in den 30er-Jahren ihrem Land alle Ehre. Einige davon schreiben  sogar Sportgeschichte für die Ewigkeit.

Der Schispringer Josef „Bubi” Bradl ist einer davon: Am 15. März 1936 in Planica ist er mit einer Weite von 101,5 Metern der erste Mensch der Welt, der mit Skiern über 100 Meter weit springt.

Weltrekorde in der Zwischenkriegszeit

1938 stellt Bradl in Planica mit einer Weite von 107 Metern erneut einen neuen Weltrekord im Schispringen auf und wird am 19. Februar 1939 in Zakopane/Polen sogar Schisprung-Weltmeister auf der Großschanze.

Zu den zwei Weltrekorden Bradls gesellen sich noch dutzende Weltrekorde von Österreichs Gewichthebern dazu:

Andreas Stadler (1923 Weltmeister im Federgewicht) stellt von 1922 bis 1926 fünf Weltrekorde auf, Rudolf Schilberg (1929 und 1930 Vize-Europameister im Schwergewicht) bringt es von 1926 bis 1930 auf ebenfalls fünf Weltrekorde.

Franz Andrysek stellt bei seinem Olympiasieg 1928 zwei Weltrekorde im Federgewicht auf, Karl Hipfinger (1929 Europameister im Mittelgewicht) schafft von 1927 bis 1929 sechs, Hans Haas (Olympiasieger 1928) sogar 18 Weltrekorde in der Zwischenkriegszeit.

Robert Fein (1936 Olympiasieger im Leichtgewicht) stellt von 1931 bis 1937 insgesamt 17 Weltrekorde auf, Fritz Haller (1937 Weltmeister im Halbschwergewicht) schafft von 1935 bis 1937 drei Weltrekorde und Anton Richter (1937 Vize-Weltmeister im Federgewicht) stellt von 1935 bis 1940 insgesamt sechs neue Weltrekorde auf.

Weltrekordverdächtig ist auch die Leistung des Eiskunstläufers Karl Schäfer mit insgesamt 17 Goldmedaillen bei internationalen Großveranstaltungen.

Das Fußball-Wunderteam

In aller Munde sind in den 30er-Jahren auch die sensationellen Erfolge der Fußball-Nationalmannschaft:

Als Geburtsstunde des Wunderteams  gilt dabei das Spiel gegen Schottland am 16. Mai 1931 in Wien.

Die österreichische Mannschaft ist vor dem Spiel komplett umbesetzt worden, spielt teilweise mit Debütanten.

Die favorisierten Schotten, die bis zu diesem Tag auf dem europäischen Festland noch ungeschlagen sind, werden vor rd. 37.000 Zuschauern mit 5 : 0 regelrecht vom Platz geschossen.

Zwei Tore steuert der Teamdebütant Karl Zischek bei, einen Treffer erzielen Adolf Vogl (ebenfalls ein Team-Neuling), Anton Schall (von 1927 bis 1932 fünf Mal in Folge österreichischer Torschützenkönig) sowie Matthias Sindelar, der nach über zwei Jahren Pause sein Team-Comeback feiert.

Mit dem Sieg gegen Schottland übernimmt Österreich für über anderthalb Jahre den Titel eines „inoffiziellen Welt-meisters” (bei der erstmals 1930 ausgetragenen Weltmeisterschaft in Uruguay nahmen ja viele starke Nationen aus Europa wie z. B.  Deutschland, England, Italien oder Österreich aus Kostengründen nicht teil).

Nach dem Sensationssieg gegen Schottland  wartet am 24. Mai 1931 in Berlin mit Deutschland bereits der nächste starke Gegner auf Österreichs Fußballer.

Nachdem Österreich das Spiel überraschend klar mit 6 : 0 gewinnt, spricht die deutsche Presse erstmals von einem „Wunderteam”.

Siege am laufenden Band

Mit den Kantersiegen gegen Schottland und Deutschland ist eine Ära eingeleitet worden, die sich noch längere Zeit fortsetzen sollte.

Nach einem 2 : 0 Heimsieg gegen die Schweiz (im Juni 1931) findet am 13. September 1931 das 1. Fußball-Länderspiel im Praterstadion statt. Über 50.000 Zuschauer erleben dabei erneut  einen Kantersieg gegen Deutschland, Österreich gewinnt  5 : 0.

Im Rahmen des Europapokals folgen 1931 noch Spiele  gegen Ungarn und die Schweiz, die auswärts, in Basel, mit 8 : 1 vernichtend geschlagen wird (der höchste Auswärtssieg Österreichs in der Fußball-Geschichte).

Ebenfalls zum Europapokal zählt das Heimspiel gegen Italien am 20. April 1932, das ebenfalls gewonnen wird (2 : 1).

Der Europapokal, der von Februar 1931 bis Oktober 1932 bereits zum 2. Mal ausgetragen wird, ist der Vorläufer der UEFA-Fußball-Europameisterschaft (die ab 1960 alle vier Jahre stattfindet).

Am 24. April 1932 findet in Wien das Spiel gegen Ungarn statt, das Österreich mit 8 : 2 gewinnt. Es ist Sindelars bestes Spiel im Team:  Der Mittelstürmer schießt drei Tore und ist bei allen acht Treffern beteiligt.

Österreich ist Europameister …

jubeln die Zeitungen nach dem letzten Spiel des Europapokals 1931 – 1932. Österreich schlägt am 23. Oktober 1932 daheim die Schweiz mit 3 : 1 und sichert sich damit die begehrte Trophäe vor Italien und Ungarn.

Die erste und einzige Niederlage des Wunderteams, die den Österreichern international aber große Anerkennung bringt, ist das 3 : 4 gegen England am 7. Dezember 1932 im berühmten Wembley-Stadion.

Paris 1933: Das letzte Spiel des Wunderteams

Bei der Heimreise wird vier Tage später Belgien in Brüssel mit 6 : 1 besiegt, am 12. Februar 1933 folgt in Paris das Spiel gegen Frankreich, das mit 4 : 0 gewonnen wird und das 100. Länderspiel des legendären, österreichischen Teamtrainers Hugo Meisl ist.

Teamtorhüter Rudolf Hiden glänzt bei diesem Spiel mit spektakulären Paraden und erhält daraufhin ein lukratives Angebot vom RC Paris. Aufgrund seines Wechsels ins Ausland beendet Hiden seine Team-Karriere.

Nachdem auch andere Teamspieler ins Ausland wechseln, endet damit die große Ära des Wunderteams – mit 12 Siegen, 2 Unentschieden und einer Niederlage bei einem Torverhältnis von 62 : 18. Davon erzielen Schall 19, Sindelar 12 und Zischek 9 Tore.

Die Stützen des Wunderteams

Matthias Sindelar ist der Kapitän der Mannschaft und eine der schillerndsten Figuren des österreichischen Fußballs.

Aufgrund seiner bedächtigen und eleganten Spielweise (aufgrund einer Meniskusverletzung 1923 geht er körperlichem Kontakt aus dem Weg) wird er auch der „Papierene” genannt.

So wie Sindelar sind auch Anton Schall und Karl Zischek immer für Tore gut, in der Verteidigung sorgt Karl Sesta, gelernter Hufschmied und Amateurringer,  für Ruhe und Sicherheit.

Der muskulöse Sesta, der für seine Beinscheren und seine Sprüche bekannt ist, wird von seinen Freunden auch der „Blade“ genannt.

Auch der Teamtorhüter Rudolf Hiden ist eine wichtige Stütze der Mannschaft.

Als Hiden jedoch mit 18 Jahren vom Grazer AK zum WAC wechselt und gleich bei seinem 1. Spiel ein haltbares Tor kassiert, sagt sein Vordermann Sesta: „So a Türl kann a nur a Steirer kriegen.” Damit ist der Begriff „Steirertor” geboren.

Prinz George, ein Sohn von Englands König Georg V., meint 1932 anlässlich des Länderspiels in England Sesta gegenüber (in deutscher Sprache), dass Fußballer ein wunderschöner Beruf sein müsse. Daraufhin antwortet Karl Sesta: „Sie haben aber auch keine schlechte Hackn (=Arbeit auf wienerisch), Majestät.”

 


»I wer narrisch!« Mein Wunderteam spielte anno 1978, ich war damals 13 Jahre

Tor, Tor, Tor, Tor, Tor, Tor …
I wer narrisch!


 

Walter Koblenc ist Obmann der Initiative „Retten wir Österreich“ und Herausgeber der Zeitung „Das Recht auf Wahrheit“

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